Es ist interessant, wie verschieden Menschen sind. Als ich draußen gesehen habe und zugehört, was die Protagonisten (Es behagt mir zum ersten Mal nicht, dieses Wort zu benutzen, weil sie alle echt sind – echter als viele andere, die man so kennt!) erzählt haben, fand ich mich inmitten meines “langjährigen Experiments” wieder und habe sehr vieles sehr gut verstehen können.
Auch ich lebe (bewusst und gewollt) oft auf der Straße. Ich liebe den freien Blick auf den Himmel, ich kann (danke, Asthma!) draußen wesentlich besser atmen als irgendwo drin (egal, wo) und das Gefühl von Freiheit, Reisen und Abenteurer ist einfach nirgendwo echter und fühlbarer, als wenn man unter freiem Himmel bei Blätterrauschen mit Blick auf die aufgehende Sonne aufwacht.
Warum Experiment? Ich treibe es oft auf die Spitze. Ich habe es hinter mir, nachts auf den Bergen Schneehöhlen ausgebuddelt zu haben, um wenigstens einigermaßen geschützt zu sein und nicht vom Wind so durchgefrostet zu werden. Ich habe schon Nächte in umgedrehten Booten am Strand von Italien verbracht. Ich versuche, möglichst unentdeckt an allen Ecken und Winkeln einer Stadt so übernachten zu können, dass man zumindest das Gefühl bekommt, ausgeruht zu sein.
Ich habe mich oft vor eigene Herausforderungen gestellt und z.B. ohne Schlafsack und Decken versucht, durch eine kalte Nacht zu kommen, nur mit den Hilfsmitteln, die man (ohne den sicheren Zugriff auf eine Wohnung) eben grad zur Hand hatte.
Jahreszeiten werden ignoriert. Ich habe genauso oft nachts draußen gepennt, wenn es geschneit oder geregnet hat – keiner kann das Gefühl eines Menschen besser verstehen, der nicht selbst erlebt hat, wie qualvoll es sein kann, sich durch die Zeit zwischen 2:00 und 6:00 Uhr nachts zu kämpfen und Gott darum anzuflehen, dass die Sonne endlich aufgeht und man die Wärme auf seiner Haut spürt um überhaupt wieder etwas zu spüren.
Warum?
Weil ich genau solche Menschen wie hier im Film verstehen möchte. Ich möchte das Gefühl aus eigener Erfahrung heraus kennen, wie es ist, von der Gesellschaft schräg angesehen zu werden, nur weil man woanders pennt als sie. Ich sehe die Dinge im Leben oft aus einer anderen Perspektive heraus und denke anders. Mensch legt sich wo hin und schläft. Der eine in einem 50.000 €-Villa-Bettchen, der andere eben im Wald. Beide schlafen. Beide sind Menschen. Beide wachen morgens auf. Für mich gibt es da keine Unterschiede.
Für die meisten anderen aber schon. Die kennen “Penner” nur unter einem bestimmten Ruf und sehen nur die Phase, wenn jemand auf der Fußgängerzone sitzt und bettelt. Und können dabei noch nicht mal unterscheiden, ob es die Bettelmafia ist oder wirklich bedürftige Menschen. Dahinter steckt aber so viel mehr …
Ich habe Menschen schon dabei beobachtet, wie sie sich unterhalten und gegenseitig Pfandflaschen austauschen, um sich Geschenke der Freundschaft machen zu können. Wirtschaftlich total sinnlos, aber die zwei verband ein starkes Band und ich wusste, sie würden einander helfen, wenn es drauf ankommt.
Mich kotzt diese “Wir hassen die Mittellosigkeit”-Weltansicht oft einfach nur an. Meine Fresse, es ist dämliches Papier, dem alle nachjagen, auf denen Nummern stehen, die uns angeblich das Leben vereinfachen. Sämtliche Beduinenvölker ohne Geld leben gesünder und einfacher als die komplette westliche Welt.
Und hier, inmitten von Deutschland, zwischen den hastenden Menschen in der Fußgängerzone, leben einige wenige, die verstanden haben, dass es im Leben auf ganz andere Dinge ankommt. Dazu muss man nicht kirchenmausarm sein. Und genau das bringt dieser Film zum Vorschein.
Manche dieser Menschen dort haben mehr Reichtum als wir alle zusammen. Und sie alle verbindet eine Sache: Sie wollen es so.
.kinoticket-Empfehlung: Dieser Film reißt die kalte Mauer zwischen den Dimensionen verschiedener Menschen mit einem Ruck nieder und offenbart eine völlig neue Welt, die für viele sehr spannend und aufschlussreich sein könnte.
“Warum haben sie dich da drin nicht interviewt?” – genau daran musste ich auch oft während des Films denken. Es geht nicht um Geld. Es geht um Reichtum. Und ein ganz bestimmtes Lebensgefühl.
Nachspann
❌ man darf aufstehen und rausgehen … es folgt nichts weiter.
Kinostart: 30. August 2018